Venedig 2000

oder das Verhalten vinotrinkender Eroberer
in göttlicher Begleitung


Venedig, das ist San Marco, die Santa Maria Della Salute, der Canal Grande, auf dem die Vaporetti fast immer viel zu viele Menschen befördern und fast die ewig salzig-modrige Luft, der eine Teil vom Meer, der andere Teil von den Häusern. So erlebten wir Venedig auf unserer Kursfahrt. Wir, das waren der Bio-Lk von Herrn Stille und der Deutsch-Lk, der zu Schuljahresbeginn von Herrn Scheibe-Hopmann übernommen wurde.
    Für den Deutsch-Lk stand die Reise unter dem Lektürenstern "Der Tod in Venedig" von Thomas Mann. Dass wir später merkwürdige Anhaltspunkte auf unsere Lektüre finden würden und sogar Parallelen ziehen konnten, ahnte noch niemand, als wir am frühen Abend des 21. September 2000 losfuhren, um die Lagunenstadt, ohne dass sie auf uns vorbereitet war, zu erobern.
    Nach einer ewig langen Fahrt von ca. 19 Stunden kamen wir endlich in unserem Do-mizil, das wir ohnehin fast nur nachts und abends sehen sollten, an. Viele stürmten sofort an diesem Nachmittag an den Strand, um dort die Sonne zu tanken, die uns in Herford so gefehlt hatte, andere genossen es einfach nur zu relaxen und die lange Fahrt zu vergessen.

    Am Samstag morgen starteten wir dann unsere Eroberungstour. Wir wurden von unserer Unterkunft von unserem Busfahrer Huberto (Da wir ja in Italien waren, bevorzugten wir Herr Scheibe-Hopmanns Anrede), zum Anleger gefahren. Da sich diese Begebenheit jeden Tag wiederholen sollte, verzichte ich darauf es mehr als einmal zu erwähnen.
    In Venedig angekommen erwartete uns eine total von Touristen überschwemmte Stadt, die uns ihr wahres Gesicht mit jedem Meter, mit dem wir uns vom Markusplatz oder der Rialtobrücke entfernten, mehr zeigte. Die nächsten Tage genossen wir im herrlichsten Sonnenschein; durch die Stadt zu schlendern und ohne dabei von Autos oder deren Abgasen genervt zu werden war für uns eine tolle Erfahrung.
    Wie wir feststellen konnten, haben wir trotz unserer Jugend und Unerfahrenheit doch eine gesunde, vielleicht sogar göttliche Intuition mit auf den Weg bekommen! Denn gleich an diesem Morgen legten wir unsere Lire zusammen und kauften für Herrn Scheibe, oder Dionysos wie er bald für uns heißen sollte (Begründung folgt später), ein Mützchen. Das sollte er aufsetzten, wenn wir uns versammeln sollten, um ihn in der Masse der vielen Menschen zu erkennen (s. Foto).
    Ein weiteres Erkennungsmerkmal sollte sein gelbes Sakko sein. Die Farbe gelb spielte in unserer Deutschlektüre eine nicht ganz unbedeutende Rolle, und so wurde es auch für den Bio-Lk so ein Leitmotiv in Venedig.     Wir besichtigten unter anderem den Dogenpalast, die Frari-Kirche, die Santa Maria Della Salute (ebenfalls' ne Kirche, von den 45, die Venedig zu bieten hat), das Guggenheim-Museum und noch vieles mehr. Jede Sehenswürdig aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, aber ein besonderes Ereignis war mit Sicherheit eine Führung durch das jüdische Ghetto der Stadt. Die Venezianerin erzählte in einem Mix aus Englisch und Deutsch (obwohl sie unsere Sprache nicht mochte) über und zeigte uns auch kleine Synagogen, die besonders gut erhalten und geschützt werden.
    Am Dienstag fuhr uns Huberto nach Verona. Auch dort klapperten wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und natürlich auch den berühmten Balkon der shakespeareschen Julia ab. Herr Scheibe-Hopmann hat sich dabei mächtig ins Zeug gelegt und positiv in Szene gesetzt. Um aber endlich einen klar erkennbaren Bogen zu unserer Lektüre und der Überschrift zu spannen: In Ve-rona steht Dante, der berühmte italienische Dichter zwar nicht im Original, aber als Denkmal - und in seinem Schatten und dem seines Werkes "Die göttliche Komödie" sahen wir nun unsere Begleitpersonen. Apollo, unser gemäßigter Herr Stille, der darauf aufpasste, dass Dionysos, Herr Scheibe-Hopmann, sich nicht allzu sehr in der italienischen Lebensfreude verlor.
    Um den nicht so Belesenen noch etwas mehr auf die Sprünge zu helfen: Apollo und Dionysos sind zwei absolut gegensätzliche Götter, die ... Schluss mit der Nachhilfe! Auf jeden Fall war es gut, dass Slice & Silence (das waren die Spitznamen vom Bio-Lk für die beiden Lehrkörper) sich ergänzten, obwohl es wohl ratsamer gewesen wäre, Apollo die Fahrkarten zu geben, wenn Dionysos sich mal wieder in eine Kirche auf der Laguneninsel Torcello verliebte und daraufhin seine Schüler am Anleger warten ließ. Aber wer kann ihm schon böse sein, wenn er nur ein paar Minütchen zu spät, um die Ecke kommt und sich dann verschwitzt-grinsend mit den Worten: "Aber die Kirche war geil!" rechtfertigt. Wir schipperten also durch die Lagune und sahen uns die kleinen, verschiedenen Inseln an. Torcello, mit der schönen Kirche und Burano, wo man die edelsten Stickereien findet. Murano mit seiner berühmten Glasbläserei mussten wir aus Zeitgründen leider streichen, aber der Anblick der anderen beiden Inseln und später des Lido hat uns dafür reichlich entschädigt. Außerdem sind wir noch zum Lido gefahren, um dort ein Referat über Pinien zu hören und ein wenig Luxus im Hotel des Bains zu erahnen, in dem Thomas Mann hauste und das er auch in unserer Lektüre "verarbeitete".
    Aber nun zum eigentlich wichtigsten Teil einer jeden Kursfahrt: dem Nachtleben. Dank göttlicher Fügung oder guter Organisation, wie man's auch nimmt, lag unser Domizil direkt am Strand. Und dank Petrus, oder dem gemäßigten Klima in Norditalien, wie man's auch nimmt, war es auch nachts noch wunderbar mild, sodass wir abends den Strand unsicher machen konnten. Und Vino war auch noch genug da, also was wollte man mehr?
    Der letzte Abend war ein echtes Highlight für uns, da wir wahrscheinlich verbotener Weise ein Lagerfeuer machten. Einige machten auch den Versuch zu grillen, weil Probieren geht ja über Studieren. Außerdem ließen wir unsere teils wundervollen, teils wundersamen Stimmen sanft über den Strand gleiten... nein, so schlimm war's nicht, aber ganz sicher wird uns Herr Scheibe's großartige Puccini-Einlage in Erinnerung bleiben!
 
    Am nächsten Tag hieß es dann leider früh aufstehen und abreisen. Schweren Herzens sahen wir uns noch ein letztes mal den Strand in seiner Weite und man muss auch sagen relativen Sauber-keit an, um dann noch einmal die morgendli-chen Pappbrötchen mit reichlich Flüssigkeit runterzuspülen. (Auf die konnte man nämlich echt verzichten!) Einige waren aber sehr tapfer und schmierten diese als Verpflegung für die Fahrt in Richtung Heimat.     Wir haben die Busfahrt dann genutzt um uns von den Strapazen der letzten Nacht und nicht zuletzt von unserem vielfältigen und interessanten Kulturangebot zu erholen. Einigen war es zuviel, die anderen wurden immer als letzte beim Essen bedient (... das tat uns auch weh, Christoph!) und andere werden wohl nie wieder das Verlangen haben, Meeresfrüchte zu essen. Aber ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass wir eine tolle Zeit in Venedig ver-bracht haben und wir wirklich göttlichen Spaß bei dieser doch sehr friedlichen Eroberung hatten.
 


Stefanie